Nguyễn Thu Hà
Rechtsanwalt VĂN PHÒNG LUẬT SƯ


Ausländer- und Asylrecht - Aktuelle Themen

Vaterschaftsanfechtung von der Ausländerbehörde

Die Ausländerbehörde ist seit einer Gesetzesänderung im Jahr 2008 berechtigt, die Vaterschaft anzufechten (vgl. § 1600 BGB). Wichtige Voraussetzung für die Anfechtung ist, dass zwischen dem Kind und dem Anerkennenden keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder bestanden hat. Zusätzlich muss durch die Anerkennung der Vaterschaft die rechtliche Voraussetzung für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes oder eines Elternteils geschaffen worden sein. Die Behörde muss sich auch an besondere Fristen halten. Die Vaterschaft muss binnen eines Jahres Kenntnis der anfechtungsberechtigten Behörde angefochten werden. Die Anfechtung ist spätestens nach Ablauf von 5 Jahren seit der Wirksamkeit der Anerkennung der Vaterschaft für ein in Deutschland geborenes Kind ausgeschlossen; ansonsten spätestens nach der Einreise des Kindes. Das örtlich zuständige Familiengericht entscheidet über einen auf die Anfechtung gerichteten Antrag der Ausländerbehörde.

Zur Zeit vertreten mehrere Oberlandesgerichte die Auffassung, dass der § 1600 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 i.V.m. § 1592 Nr. 2 BGB verfassungsbedenklich sein kann und legen dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vor.

Da eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über diese Frage noch aussteht, sollen die Betroffenen sich gegen die Anfechtung der Ausländerbehörde währen.

Die Rechtsanwältin Thu Ha Nguyen berät in diesem Zusammenhang und vertritt im Anfechtungsvefahren in allen Familiengerichte bzw. Oberlandesgerichte.

Niederlassungserlaubnis trotz Hartz IV?

Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Urteil vom 16.08.2011 seine Rechtsprechung zur Erteilung von Niederlassungserlaubnissen fortgeführt. Danach kann einem Ausländer die Niederlassungserlaubnis zur Ausübung der Personensorge für ihre minderjährigen deutschen Kinder nach § 28 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) auch dann erteilt werden, wenn er mit seinem Einkommen nur den eigenen Lebensunterhalt sichern kann, nicht aber zugleich den vollständigen Unterhaltsbedarf seiner Familie abdeckt.

Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG setzt die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis aus familiären Gründen nach § 28 Abs. 2 Satz 1 AufenthG die Sicherung des Lebensunterhalts für die gesamte Kernfamilie voraus. Danach muss grundsätzlich der Lebensunterhalt der in einer Bedarfsgemeinschaft zusammenlebenden Familie vollständig gesichert sein.

Das Gericht sieht in seinem jüngsten Urteil aber eine Ausnahmesituation, wenn nur der Bedarf von deutschen Familienangehörigen – hier die minderjährigen Kinder – nicht vollständig gedeckt ist. Die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis ist somit trotz „Hartz IV“- Bezug möglich.

BVerwG 1 C 12.10 – Urteil vom 16. August 2011

Bleiberecht für langjährig geduldete Jugendliche

Die Innenministerkonferenz (IMK) hat sich am 18./19.11.2010 dafür ausgesprochen, gut integrierten geduldeten Jugendlichen und Heranwachsenden eine eigene gesicherte Aufenthaltsperspektive zu eröffnen.

Dazu müssen die Voraussetzungen entsprechend der sog. Wiederkehroption (§ 37 AufenthG) und eine hinreichende Integrationsprognose erfüllt sein.

Die Eltern können ein Aufenthaltsrecht erhalten, wenn sie ausreichende Integrationsleistungen erbracht haben und durch eigene Leistungen den Lebensunterhalt der Familie überwiegend sichern können. Ausgenommen sind Eltern bzw. Elternteile, die erhebliche Straftaten begangen haben.

Kein Aufenthalt nach Heirat in Dänemark

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am 11. Januar 2011 (BVerwG 1 C 23.09) eine Grundsatzentscheidung getroffen zu der Frage, ob Ehegatten von Deutschen, die in Dänemark geheiratet haben und Nicht-EU-Bürger sind und lediglich mit einem Besuchsvisum einreisten, nach der Eheschließung in Deutschland bleiben können oder nochmals in ihr Heimatland zurück müssen, um ein Visum für den Zweck "Ehegattennachzug" zu beantragen. Das Gericht entschied, dass die ursprüngliche Angabe "Besuchszweck" im ersten Visumantrag eine Falschangabe sei und daher müsse ein neues Visumverfahren vom Ausland her mit dem Zweck "Ehegattennachzug" durchgeführt werden.

Niederlassungserlaubnis bei Bezug von Arbeitslosengeld und ALG 2: VGH Kassel, Beschl. v. 08.11.2010 - 9 A 148/10.Z

Mit seiner Entscheidung stellt der VGH (erneut) klar, dass der Bezug von Leistungen nachdem SGB II keinen Ausweisungsgrund im Sinne von § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG darstellt.

Internationale Adoptionen und Aufenthaltserlaubnis

In vielen bi-nationalen Ehen und Partnerschaften stellt sich die Frage, ob das leibliche Kind eines Partners, welches nicht das Kind der Ehepartner ist, durch eine Adoption eine Aufenthaltserlaubnis für Deutschland erhalten kann. Dies ist immer eine emonational und familiär extrem bedeutsame Frage, da sehr oft das Kind mit zum neuen Partner nach Deutschland umsiedeln soll. Die hiermit zusammenhängenden Rechtsfragen sind kompliziert. Nach deutschem Recht wird jedoch ein Verfahren angeboten, das - je nach Herkunftsland - zwar einerseits mit viel Bürokratie-Aufwand verbunden ist, andererseits jedoch zu einer Aufenthaltserlaubnis für das adoptierte Kind führen kann. Sofern Sie hierzu eine Beratung durch Rechtsanwältin Thu Ha Nguyen wünschen, wird darum gebeten, die familiäre Konstellation zunächst in einem Email zu schildern.

Ehegatten-Nachzug: Deutschkenntnisse weiterhin Pflicht

Das Bundesverwaltungsgericht hat am 30.03.2010 in einem Grundsatzurteil (1 C 8/09) entschieden, dass die im Jahr 2007 eingeführte Vorschrift weder gegen das Grundgesetz noch gegen Gemeinschaftsrecht verstösst, wonach ein Anspruch auf Ehegattennachzug zu einem im Bundesgebiet lebenden Ausländer nur dann besteht, wenn der nachziehende Ehegatte sich auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann (§ 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG). Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts verstösst dies auch nicht gegen den Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 GG), weil das öffentliche Interesse der Integration und Verhinderung von Zwangsehen Vorrang habe. Mit diesem Urteil gilt also auch künftig, dass ein Visum für den Ehegattennachzug nur dann erteilt werden wird, wenn der Ehegatte den Sprachtest A 1 bestanden hat. Rechtstip: einzige Ausnahme: wenn die nachziehende Ehefrau schwanger wäre.

Asylfolgeantrag

Auch abgelehnte Asylbewerber haben noch Chancen. Jeder darf jederzeit einen neuen Asylantrag stellen, der sich dann "Asylfolgeantrag" nennt. Der Asylfolgeantrag muss sich auf neue Dokumente oder neue Informationen stützen. Wichtig: innerhalb von drei Monaten nach Bekanntwerden solcher neuen Dokumente oder Informationen muss dann der Asylfolgeantrag gestellt werden.

Visumfreie Einreise für türkische Staatsangehörige

Nach einem neuen Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom Februar 2009 dürfen türkische Staatsangehörige visumfrei in die EU und also auch in die Bundesrepublik Deutschland einreisen, wenn sie hier „Dienstleistungen“ ausführen oder in Anspruch nehmen wollen. Was aber sind „Dienstleistungen“ in diesem Zusammenhang? Es kommt nämlich in der Praxis sehr oft vor, dass die Grenzbeamten die Durchreise (Pkw) oder Einreise (Flugzeug) verweigern, teils mit dem Argument, von einer „Dienstleistung“ sei keine Rede oder gar, visumfreie Einreise sei sowieso nicht erlaubt. Auch das Bundesinnenministerium ist wohl der Meinung, dass eine Einreise „so einfach“ nicht zulässig sei. Eine solche Handhabung durch die Grenzbeamten ist jedoch eindeutig rechtswidrig. „Dienstleistungen“ kann alles sein: Tourismus, Notartermin, Lkw-Fahrt, Fortbildung usw.

Neue Regelungen zum Bleiberecht / zur Altfallregelung

Ab Januar 2010 sollen folgende Regelungen zum Bleiberecht / zur Altfallregelung gelten: Inhabern einer Aufenthaltserlaubnis auf Probe (§ 104a Abs. 1 S. 1 AufenthG), die am 31.12.2009 mindestens für die letzten sechs Monate zumindest eine Halbtagsbeschäftigung nachweisen oder bis zum 31.01.2010 für die kommenden sechs Monate eine Halbtagsbeschäftigung glaubhaft nachweisen können, wird eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 1 Satz 1 AufenthG bis zum 31.12.2011 erteilt. Bei Inhabern einer Aufenthaltserlaubnis auf Probe (§ 104a Abs. 1 S. 1 AufenthG), die zwischen dem 1.07.2007 und dem 31.12.2009 entweder ihre Schul- oder Berufsausbildung mit einem Abschluss erfolgreich beendet haben oder sich derzeit in einer Berufsausbildung befinden und bei denen deshalb erwartet werden kann, dass sie sich in unsere Gesellschaft erfolgreich integrieren und sie zukünftig ihren Lebensunterhalt selbstständig sichern werden, wird eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 1 Satz 1 AufenthG für zwei Jahre erteilt.

Im Übrigen können Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis auf Probe (§ 104a Abs. 1 S. 1 AufenthG), die am 31.12.2009 mangels Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben zur Lebensunterhaltssicherung nicht gemäß § 104 Absatz 5 AufenthG verlängert werden kann, für die Dauer von zwei Jahren eine Aufenthaltserlaubnis „auf Probe“ nach § 23 Absatz 1 Satz 1 AufenthG erlangen, sofern sie nachweisen, dass sie sich um die Sicherung des Lebensunterhalts für sich und etwaige Familienangehörige durch eigene Erwerbstätigkeit bemüht haben, und wenn die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Lebensunterhalt nach diesen zwei Jahren eigenständig durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gesichert sein wird. Die erneute Aufenthaltserlaubnis „auf Probe“ nach § 23 Absatz 1 Satz 1 AufenthG wird mit der Maßgabe erteilt, dass wie bisher zum Inhaber kein zusätzlicher Familiennachzug zulässig ist (§ 29 Abs. 3 S. 3 AufenthG) und der Inhaber wie bisher von der Aufenthaltsverfestigung (Erteilung einer Niederlassungserlaubnis) ausgeschlossen ist.

Im Übrigen müssen jeweils die Voraussetzungen des § 104a AufenthG weiter vorliegen. Im Bundesgebiet lebende Ehegatten und minderjährige Kinder können einbezogen werden.

Bundesverwaltungsgericht: Keine Aufenthaltserlaubnis bei verweigerter „Freiwilligkeitserklärung“

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat entschieden, dass grundsätzlich kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen entsteht, nur weil ausreisepflichtige Ausländer nicht freiwillig ausreisen wollen und sich deshalb weigern, die Freiwilligkeit ihrer Ausreise gegenüber der konsularischen Vertretung ihres Heimatstaates zu bekunden (BVerwG, Urteil vom 10.11.2009, 1 C 19.08).

Die Kläger des Verfahrens hatten jegliche Mitwirkung verweigert, da die von der iranischen Auslandsvertretung geforderte "Freiwilligkeitserklärung" von ihnen nicht verlangt werden könne. Eine derartige Erklärung sei eine "Lüge", denn in Wahrheit wollten sie nicht ausreisen. Der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts ist dieser Argumentation jedoch nicht gefügt und hat die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt. Es sei „für einen ausreisepflichtigen Ausländer grundsätzlich nicht unzumutbar, die von der Auslandsvertretung geforderte Freiwilligkeitserklärung abzugeben. Zwar kann ein Ausländer zur Abgabe dieser Erklärung nicht gezwungen werden. Gibt er sie nicht ab, trifft ihn allerdings ein Verschulden an der Unmöglichkeit seiner Ausreise, so dass die Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis ausscheidet" (aus der Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts).

Bundesverwaltungsgericht zum Verhältnis von Aufenthaltserlaubnis und "offensichtlich unbegründeter" Asylablehnung

In einem Revisionsverfahren hat das Bundesverwaltungsgericht am 25.08.2009 eine Grundsatzentscheidung getroffen. Es ging um folgendes Problem: wenn jemand einen Asylantrag als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt erhielt – darf er trotzdem später eine Aufenthaltserlaubnis aus anderen Gründen erhalten, zum Beispiel nach § 104a Aufenthaltsgesetz (Altfallregelung)? Die Frage war deshalb entstanden, weil das bisher nicht möglich war, denn in einem anderen Paragraph wird dies ausgeschlossen (§ 10 Absatz 3 Aufenthaltsgesetz). Das Bundesverwaltungsgericht hat nun der Revision stattgegeben und entschieden, dass die gesetzliche Sperre für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, die durch die Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet ausgelöst wird, nicht eingreift, wenn die Asylablehnung vor dem 1. Januar 2005 bestandskräftig geworden ist. Aktenzeichen BVerwG 1 C 20.08 Urteil vom 25. August 2009 –Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgericht Nr. 52/2009

 

Sozialrecht - Aktuelle Themen

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Beschluss vom 03.01.2011 , - L 5 AS 423/09 B ER –

Wer als Eigenheimbesitzer Leistungen nach dem SGB II bezieht, hat nur Anspruch auf preiswerte Baumarkt-Tür, denn auch kostenbewusste und sparsame Hausbesitzer mit geringen eigenen Einkünften würden zu einer einfachen Haustür greifen.

Sächsisches Landessozialgericht Beschluss vom 30.11.2010 , - L 3 AS 649/10 B ER -

Keine Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes, auch nicht darlehensweise, wenn der Antragsteller ausweislich der Immatrikulationsbescheinigung auch während des Urlaubssemesters immatrikuliert ist .

Denn allein dies führt, auch nach der Rechtsprechung des Sächsischen Landessozialgerichts (Az. L 7 AS 337/10 B ER, L 7 AS 756/09 B ER) zum Leistungsausschluss.

Das Studium des Antragstellers ist im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderfähig. Dieser dem Grunde nach bestehenden Förderfähigkeit steht vorliegend nicht entgegen, dass der Antragsteller für zwei Semester beurlaubt ist. Insoweit schließt sich der erkennende Senat der Rechtsprechung des 7. Senates dieses Gerichtes an (vgl. Sächs LSG, Beschluss vom 28. Juni 2010 – L 7 AS 337/10 B ER – JURIS-Dokument Rdnr. 17 ff.; SächsLSG, Beschluss vom 29. Juni 2010 – L 7 AS 756/09 B ER – JURIS-Dokument Rdnr. 20 ff.; SächsLSG, Beschluss vom 11. November 2010 – L 7 AS 435/10 B ER [nicht veröffentlicht]; SächsLSG, Beschluss vom 16. November 2010 – L 7 AS 53/10 B ER [nicht veröffentlicht]. A. A.: SächsLSG, Beschluss vom 13. Januar 2010 – L 2 AS 762/09 B ER [nicht veröffentlicht]).

Entscheidend ist hierbei, dass auch während eines Urlaubssemesters der Besuch einer Ausbildungsstätte im Sinne der organisatorischen Zugehörigkeit zu dieser Ausbildungsstätte (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2010 – B 14 AS 24/09 R – Rdnr. 17, m. w. N.) nicht unterbrochen ist und das Studium nach den hochschulrechtlichen Vorschriften betrieben werden kann.

Landessozialgericht Baden-Württemberg Beschluss vom 13.12.2010 , - L 13 AS 4732/10 B –

Hartz IV -Empfängerin hat kein Anspruch auf ein Darlehen für eine Sterilisation.

Der Wunsch , keine weiteren Kinder mehr zu bekommen, begründet weder einen Mehr- bzw. Zusatzbedarf im Sinne des § 23 Abs. 3 SGB II bzw. des § 21 Abs. 2 bis 6 SGB II noch begründet § 23 Abs. 1 SGB II eine Anspruchsgrundlage. Zwar sind die Kosten der Ausübung von Sexualität sowie die damit verbundenen Verhütungskosten von der Regelleistung des § 20 Abs. 1 SGB II erfasst, weshalb grds. der Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 SGB II eröffnet ist. Doch begründet § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II lediglich dann die Möglichkeit zur darlehensweisen Befriedigung von Bedarfslagen, wenn es sich nach den Umständen um einen unabweisbaren Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts handelt. Unabweisbar ist ein Bedarf dann, wenn die Bedarfsdeckung unaufschiebbar ist. Nicht unabweisbar ist dagegen ein Bedarf, wenn er mit geringen Mitteln oder durch ein Ausweichen auf eine andere Bedarfsdeckung befriedigt werden kann (Münder in LPK-SGB II, 2. Auflage, § 23 Rn. 9).

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 20.12.2010 , - L 7 AS 65/10 NZB -

Mängel der Tatsachenfeststellung können mit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht gerügt werden, weil insoweit das Sozialgericht das sachnähere Gericht und der Antrag auf mündliche Verhandlung der richtige Rechtsbehelf ist.

Bei Rüge der Verletzung des Rechts auf Gehörs muss deswegen der Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt werden (Leitherer in Meyer-Lade-wig/Keller/Leitherer, 9. Auflage 2008, § 145 Rdn. 3c). Bei gleichzeitigem Antrag auf mündliche Verhandlung und Einlegen der Nichtzulassungsbeschwerde hat indes der Antrag auf mündliche Verhandlung gemäß § 105 Abs. 2 Satz 3 SGG Vorrang. Mit dem (rechtzeitigen) Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung gilt der Gerichtsbescheid nach § 105 Abs. 3 SGG als nicht ergangen, so dass kein Raum für die Zulassung eines Rechtsmittels gegen die Entscheidung bleibt. (vgl. Landessozialgericht - LSG - Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14.01.2008, Az.: L 25 B 795/07 AS, Rdn. 2; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26.11.2008, L 20 AS 1478/08, L 20 B 2254/08 AS NZB). Es kann daher in diesem Fall dahinstehen, ob das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde gegen einen Gerichtsbescheid überhaupt gegeben ist (ablehnend Zeihe, SGG, Stand 01.10.2010, § 105 Rdn. 14 b).

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 14.12.2010 , - L 7 AS 1536/10 B ER –

Keine Übernahme von Energierückständen nach § 22 Abs. 5 SGB II, wenn die Wohnung des Antragstellers unangemessen ist .

Nach § 22 Abs. 5 Satz 1 SGB II können auch Schulden übernommen werden, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden. Sie sollen übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist (§ 22 Abs. 5 Satz 2 SGB II). Bei der Ermessensentscheidung über die Übernahme von Energierückständen sind im Rahmen einer umfassenden Gesamtschau der Umstände des Einzelfalles u.a. die Höhe der Rückstände, die Ursachen, die zu dem Energiekostenrückstand geführt haben, die Zusammensetzung des von einer evtl. Energiesperre bedrohten Personenkreises, Möglichkeiten und Zumutbarkeit anderweitiger Energieversorgung, das in der Vergangenheit gezeigte Verhalten (z.B. erstmaliger oder wiederholter Rückstand) und ein erkennbarer Selbsthilfewillen zu berücksichtigen (Berlit in LPK-SGB II, 3. Auflage 2009, § 22 Rn. 127).

Schließlich ist eine Leistung zur Sicherung einer kostenmäßig nicht angemessenen Unterkunft grundsätzlich nicht gerechtfertigt (vgl. Lang/Link in Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGG, 2. Auflage 2008, § 22 Rn. 109).

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Urteil vom 25.11.2010 , - L 7 AS 57/08 - , Revision wird zugelassen

Keine Übernahme der Tilgungsraten für die Ratenzahlung zur Erfüllung eines Kaufpreises für den Erhalt der Immobilie , wenn eine drohende Zwangsvollstreckung noch nicht einmal behauptet wurde.

Der Wortlaut des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II schließt die Berücksichtigung von Tilgungsraten bzw. Kaufpreisraten nicht aus. Als tatsächliche Aufwendungen für die Unterkunft kommen bei Eigentumswohnungen die gesamten Finanzierungskosten, mithin auch Tilgungsleistungen in Betracht. Sinn und Zweck der Leistung steht der Übernahme von Tilgungsleistungen ebenfalls nicht entgegen (vgl. BSG, Urteil vom 18.06.2008, B 14/11b AS 67/06 R, Rn. 25, 26). Der Gesetzgeber räumt dem Erhalt der Wohnung allgemein einen hohen Stellenwert ein, ohne Rücksicht darauf, ob diese gemietet ist oder im Eigentum des Hilfebedürftigen steht. Da jedoch das Alg II den Lebensunterhalt sichern und grundsätzlich nicht der Vermögensbildung dienen soll, ist die Übernahme der Tilgungsleistungen durch den Grundsicherungsträger nach der Rechtsprechung des BSG nur dann gerechtfertigt, wenn die Kosten in Form von Tilgungsleistungen zur Erhaltung des Wohneigentums unvermeidbar sind. Der Hilfebedürftige muss deshalb vor einer Inanspruchnahme staatlicher Leistungen alles unternehmen, um die Tilgungsverpflichtung während des Bezugs von Grundsicherungsleistungen so niedrig wie möglich zu halten. Dabei ist auch zu überprüfen, ob andere Möglichkeiten, wie etwa eine Tilgungsaussetzung oder -streckung, nicht gegeben waren (BSG, a.a.O., Rn. 30). Des Weiteren können Finanzierungskosten einschließlich der Tilgungsleistungen insgesamt vom Grundsicherungsträger nur bis zu der Höhe übernommen werden, die ein Hilfebedürftiger auch bei einer angemessenen Mietwohnung als Kosten der Unterkunft zu tragen hätte (BSG, a.a.O., Rn. 28). Im Rahmen der Angemessenheitsprüfung ist bei § 22 Abs. 1 SGB II eine Privilegierung von Eigentümern gegenüber Mietern nicht zu rechtfertigen (BSG, Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS 2/05 R; Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS 8/06 R).

In Abgrenzung zu der in der Revisionsinstanz anhängigen Entscheidung (B 14 AS 79/10 R) des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 19.11.2009 (L 6 AS 374/06) zur Klärung der Frage, ob ohne Übernahme der Ratenzahlungen der Verlust des selbstgenutzten Wohneigentums droht, auf eine konkrete Gefährdung abzustellen. Eine solche Gefährdung hat jedoch nicht bestanden.

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 22.12.2010 , - L 19 AS 2075/10 B ER -

Leistungen aus einer privaten Unfallversicherung wegen Invalidität stellen kein geschütztes Einkommen nach § 11 Abs. 2 Nr. 1a oder Nr. 2 SGB II dar.

Die Gutschrift einer Invaliditätsleistung aus einer privaten Gruppenunfallversicherung stellt ein berücksichtigungsfähiges Einkommen i.S.v. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II dar, das als einmalige Einnahme i.S.v. §§ 4, 2 Abs. 3 Arbeitslosengeld II- Verordnung (AlgII-V) auf den monatlichen Hilfebedarf der Antragstellerin nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 SGB II anzurechnen ist.

Einkommen i.S.v. des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist grundsätzlich alles das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, unabhängig von der Bezeichnung und dem Rechtscharakter der geldwerten Leistung (vgl. BSG Urteil vom 01.06.2010 - B 4 AS 89/09 R - Rn 16 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Die Berücksichtigung eines geldwerten Vorteils, der einer Leistungsbebzieherin erst nach Antragstellung zufließt, als Einkommen setzt weder eine Identität der Zweckbestimmung des geldwerten Vorteils und der Leistungen nach dem SGB II noch eine Zeitraumidentität voraus. Bei der Zahlung einer Invaliditätsleistung wegen der Folgen eines Unfalls aus einer eigenen privaten Unfallversicherung handelt es sich auch nicht um ein privilegiertes Einkommen i. S.v. § 11 Abs. 3 Satz 1 SGB II. Es ist nicht erkennbar, dass zwischen der Unfallversicherung und der Antragstellerin eine Vereinbarung besteht, aus der sich objektiv erkennbar ergibt, dass die Leistung von der Antragstellerin für einen bestimmten Zweck verwendet werden soll. Vielmehr handelt es bei dieser Zahlung um den Ausgleich für eine durch den Unfall erlittenen dauernde Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Unversehrtheit. Sie dient wie die Leistungen nach dem SGB II der Existenzsicherung der Antragstellerin als Begünstigte und unterliegt keiner darüber hinausgehenden Zweckbindung, so dass es sich nicht um eine zweckbestimmte Leistung i.S.v. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1a SGB II handelt (vgl. zu den Anforderungen an eine privat-rechtliche Zweckbestimmung: BSG Urteil vom 01.06.2010 - B 4 AS 89/09 R - Rn 16f mit weiteren Rechtsprechungs-nachweisen). Des weiteren handelt es sich nicht um eine Entschädigung i.S.v. § 253 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), d. h. um den Ausgleich eines immateriellen Schadens, der vom Schädiger zu erbringen ist, sondern laut Schreiben der privaten Unfallversicherung vom 07.07.2010 um den Ausgleich eines Gesundheitsschadens am rechten Arm, also um den Ausfall von Erwerbsfähigkeit wegen Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit infolge des versicherten Risikos (vgl. zu Zahlungen aus einer privaten Unfallversicherung: LSG NRW Beschluss vom 05.01.2010 - L 1 B 29/09 AS - LSG Sachsen Urteil vom 13.03.2008 - L 2 AS 143/07 -).

Der bedarfsmindernden Berücksichtigung der Zahlung aus der privaten Unfallversicherung steht nicht entgegen, dass diese Zahlung zur Schuldentilgung verwendet wurde. gefestigter Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG Urteil 16.12.2008 - B 4 AS 70/07 R - Rn 28).

Eine einmalig gezahlte Invaliditätsleistung aus privater Unfallversicherung in Höhe von EUR 3650,- ist auf 12 Monate verteilt als Einkommen beim Hilfebedürftigen zu berücksichtigen.

Sozialgericht Neuruppin Beschluss vom 15.11.2010 , - S 18 AS 1569/10 ER -

§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b) SGB II kann nicht auf Eingliederungsbescheide angewendet werden. Dies ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift, die auf eine Eingliederungsvereinbarung abstellt. Voraussetzung ist demnach eine wirksam abgeschlossene und nicht nichtige Eingliederungsvereinbarung im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II (siehe dazu Berlit, in LPK-SGB II, 3. Aufl. 2009, § 31 Rz. 28).

Der Begriff Eingliederungsvereinbarung in § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b) SGB II auch nicht in einem weiten, Eingliederungsbescheide umfassenden Sinne verstanden werden. Dies ergibt sich aus der Legaldefinition des § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Danach stellt die Eingliederungsvereinbarung eine Vereinbarung mit einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen über die für seine Eingliederung erforderlichen Leistungen dar. Erforderlich ist demnach ein Einvernehmen mit dem Hilfebedürftigen über Inhalt und Abschluss von Eingliederungsregelungen. Dieses Erfordernis erfüllt ein Eingliederungsbescheid nicht. Der Leistungsträger setzt in diesem Fall die Eingliederungsregelungen einseitig fest. Eingliederungsbescheide fallen daher auch nicht in den Anwendungsbereich des § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II, sondern werden unter § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II eigens behandelt. Es handelt es sich bei der Eingliederungsvereinbarung und dem Eingliederungsbescheid um zwei Verfahrensmöglichkeiten des Leistungsträgers, die zwar beide einem ähnlichen Zweck dienen, aber dennoch grundlegend verschieden sind. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber in § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b) SGB II hiervon eine Abweichung machen wollte.

§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b) SGB II auch nicht entsprechend auf Eingliederungsbescheide angewendet werden. Dem steht der eindeutige Wortlaut der Vorschrift entgegen. Auch ist die Vorschrift als Sanktionsnorm, die für Hilfsbedürftige gravierende finanzielle Folgen hat, eng am Wortlaut der Regelung orientiert auszulegen (siehe dazu LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 08.07.2009 - L 19 B 140/09 AS ER; LSG Hessen, Beschluss v. 09.02.2007 - L 7 AS 288/06 ER; LSG Bayern, Beschluss v. 09.11.2007 - L 7 B 748/07 AS; Rixen in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 31 Rz. 13a; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, § 31 Rz. 34).

Dies wird verdeutlich durch den nunmehr vorliegenden Referentenentwurf des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 26.10.2010 (BT-Drucksache 17/3404, S. 36, 182 f). Danach soll § 31 SGB II ab dem 01.01.2011 insoweit neu gefasst werden, als in § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II-E (der den derzeitigen § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b) SGB II ersetzen soll) auch Eingliederungsbescheide explizit genannt werden. Dies dient nach der Entwurfsbegründung zur Klarstellung, dass bei einem Verstoß gegen in einem Eingliederungsbescheid festgelegten Pflichten die gleichen Rechtsfolgen wie bei einem Verstoß gegen die in einer Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflichten eintreten. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners können daraus jedoch keine Schlussfolgerungen dergestalt gezogen werden, dass die Klarstellung für die Rechtslage ab dem 01.01.2011 zugleich auch den Regelungswillen des Gesetzgebers für die Auslegung des derzeitigen § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b) SGB II verdeutlichen soll. Die beabsichtigte Neufassung des § 31 SGB II zeigt vielmehr, dass die Entwurfsverfasser auf die Kritik aus Rechtsprechung und Literatur reagieren und Unzulänglichkeiten der bisherigen Sanktionsvorschriften beseitigen wollen. So werden nicht nur Eingliederungsbescheide in § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II-E aufgenommen. Auch der bereits genannte § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a) SGB II soll nunmehr gestrichen werden. Die Klarstellung der Entwurfsbegründung dient daher lediglich dazu, diesen Willen deutlich zum Ausdruck zu bringen. - Eine beabsichtigte Rückwirkung bzw. eine Klarstellung dergestalt, dass die Neufassung dem schon immer vorhandenen Regelungswillen des Gesetzgebers entsprochen hätte, kann daraus nicht entnommen werden!!!

Sozialgericht Neuruppin Beschluss vom 26.04.2010 , - S 18 AS 429/10 ER -

Keine Unterhaltsvermutung bei Wohngemeinschaft zwischen Verwandten.

Gemäß § 9 Abs. 5 SGB II wird für den Fall, dass ein Hilfsbedürftiger in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten lebt, vermutet, dass er von ihnen Leistungen erhält, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann. § 9 Abs. 5 SGB II enthält demnach eine widerlegbare Vermutung dergestalt, dass der Hilfsbedürftige im Falle des Bestehens einer Haushaltsgemeinschaft von seinen Verwandten oder Verschwägerten unterstützt wird. Daraus ergibt sich, dass die Vermutungsregelung erst dann eingreift, wenn eine Haushaltsgemeinschaft festgestellt worden ist. § 9 Abs. 5 SGB II enthält demnach im Gegensatz zu § 36 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) keine gesetzliche Vermutung für das Vorliegen einer Haushaltsgemeinschaft (vgl. dazu BSG, Urteil v. 27.01.2009 - B 14 AS 6/08 R-). Für eine solche reicht es dabei nicht aus, wenn Verwandte oder Verschwägerte in einem Haushalt lediglich zusammen wohnen. Vielmehr muss über die bloße Wohngemeinschaft hinaus der Haushalt im Sinne einer Wirtschaftsgemeinschaft gemeinsam geführt werden (vgl. dazu BSG, Urteil v. 19.02.2009 - B 4 AS 68/07 R-). Nach der Begründung des Gesetzentwurfs des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 05.09.2003 (BT-Drucksache 15/1516, S. 53) ist dies der Fall, wenn die Verwandten oder Verschwägerten mit dem im selben Haushalt lebenden Hilfebedürftigen "aus einem Topf" wirtschaften (Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 9 Rz. 52). Die Anforderungen an das gemeinsame Wirtschaften gehen daher über die gemeinsame Nutzung von Bad, Küche und Gemeinschaftsräumen hinaus. Auch der in Wohngemeinschaften häufig anzutreffende gemeinsame Einkauf von Grundnahrungsmitteln, Reinigungs- und Sanitärartikeln aus einer von allen Mitbewohnern zu gleichen Teilen gespeisten Gemeinschaftskasse begründet noch keine Wirtschaftsgemeinschaft (vgl. BSG, Urteil v. 27.01.2009, a.a.O.). Es muss vielmehr neben einem gemeinsamen Wohnen auf Grund der Umstände des Einzelfalls davon auszugehen sein, dass ein Teil des Bedarfs des Hilfsbedürftigen durch das gemeinsame Wirtschaften mit den Verwandten gedeckt ist (Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 9 Rz. 52 f.). Die Voraussetzungen des Vorliegens einer solchen Wirtschaftsgemeinschaft von mehreren in einer Wohnung zusammen lebenden Verwandten oder Verschwägerten müssen vom jeweiligen Grundsicherungsträger positiv festgestellt werden (vgl. BSG, Urteil v. 27.01.2009 - B 14 AS 6/08 R-).

Sozialgericht Düsseldorf Urteil vom 30.11.2010 , - S 42 SO 51/09 -

Kindergeld eines volljährigen behinderten Leistungsbeziehers nach dem 4. Kapitel des SGB XII ist Einkommen des Kindergeldberechtigten, in diesem Fall seiner Mutter.

§ 82 Abs. 1 S. 2 SGB XII ist im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Danach ist bei Minderjährigen das Kindergeld dem jeweiligen Kind als Einkommen zuzurechnen, soweit es bei diesem zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes benötigt wird. Diese Norm gilt jedoch ausdrücklich nur für Minderjährige, nicht für Erwachsene (vgl. Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Aufl. 2010; § 82 Rn. 43). Vielmehr ist das an ein Elternteil als Kindergeldberechtigten ausgezahlte Kindergeld nur dann als Einkommen des volljährigen, außerhalb des Haushaltes lebenden Kindes zu berücksichtigen, soweit es ihm zeitnah zugewendet wird und ohne die Weiterleitung die Voraussetzungen für die eine Abzweigung des Kindergeldes gemäß § 74 EStG durch Verwaltungsakt zugunsten des Kindes vorliegen würden (vgl. Urteil des BSG vom 26.08.2008 - B 8/9b SO 16/07 R-). Eine zeitnahe Zuwendung im Sinne einer Weiterleitung liegt nach dem Bundessozialgericht (vgl. Urt. v. 08.02.2007 - B 9b SO 5/06 R-) nur dann vor, wenn das Kindergeld dem Kind tatsächlich als Geldbetrag zufließt.

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 22.11.2010 , - L 20 AY 1/09

Dem Bundesverfassungsgericht wird die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 sowie § 3 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Asylbewerberleistungsgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 05.08.1997 (BGBl. I 1997, S. 2022) mit dem Grundgesetz vereinbar sind.

++ Anmerkung: Vgl. dazu LSG NRW: Leistungen für Asylbewerber sind verfassungswidrig- Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.07.2010, - L 20 AY 13/09 -

Landessozialgericht Baden-Württemberg

Beschluss vom 30. April 2010 - L 7 AY 3482/09 B

Leitsatz:
Es ist offen, ob die Höhe der Grundleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz den verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht, die nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/09 u.a.) an die Bemessung existenzsichernder Leistungen zu stellen sind.

Landessozialgericht Rheinland-Pfalz Urteil vom 30.09.2010, - L 1 AL 122/09 - , Revision wird zugelassen

Die Zugangsvermutung des § 37 Abs. 2 SGB X setzt voraus, dass der Tag der Aufgabe des Schreibens zur Post nachweisbar ist. Steht dieser Tag nicht fest, läuft die Widerspruchsfrist nicht.

Eine Rechtsbehelfsbelehrung darf nicht an einer unübersichtlichen Stelle des Bescheides versteckt, muss aber nicht mir einer gesonderten Überschrift versehen werden.

++ Anmerkung: Vgl. dazu Sächsisches Landessozialgericht Urteil vom 18.03.2010 - L 3 AS 180/09 – , veröffentlicht im Rechtsprechungsticker von Tacheles 43/2010.

Die Fiktion des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X greift nicht, weil der Tag, an dem der Widerspruchsbescheid zur Post gegeben worden ist, nicht hinreichend dokumentiert und damit nicht festzustellen ist.

Voraussetzung für die Bekanntgabefiktion des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X ist aber die Feststellung des Zeitpunktes, zu dem der maßgebende Verwaltungsakt zur Post gegeben worden ist (vgl. Engelmann, in: von Wulffen, SGB X [6. Aufl., 2008], § 41 Rdnr. 12; Recht, in: Hauck/Noftz, SGB X [Stand: Erg.-Lfg 1/10, Februar 2010], § 41 Rdnr. 16).

Landessozialgericht Rheinland-Pfalz Urteil vom 29.10.2010 , - L 1 AL 49/09 –

Es ist grundsätzlich nicht grob fahrlässig (§ 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB X), wenn der nach § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB I zur Mitteilung von Änderungen in den tatsächlichen Verhältnissen Verpflichtete - hier zur Änderung der Anschrift - ein entsprechendes Mitteilungsschreiben an die Bundesagentur für Arbeit mit einfachem Brief verschickt. Eine Pflicht zur Erkundigung nach dem Eingang der Mitteilung kann bei besonderen Umständen des Einzelfalls bestehen.
(Quelle "Tacheles-Rechtsprechungsticker, http://www.tacheles-sozialhilfe.de")